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Arzthaftung: Zum Zeitpunkt und Umfang der Aufklärung

Operation: über mögliche Erweiterung muss aufgeklärt werden

Die Anzahl unzufriedener Patienten nach ärztlichen Behandlungen hat zugenommen. Immer mehr Patienten beklagten sich über neu aufgetretene Gesundheitsschäden oder auch die Verschlimmerung ihrer Leiden und suchen anwaltlichen Rat, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Der Patient geht von einem Behandlungsfehler aus.

In rechtlicher Hinsicht können neben dem klassischen Behandlungsfehler auch Befunderhebungsfehler, Diagnosefehler und Fehler bei der Aufklärung des Patienten zu Schadensersatzansprüchen führen. Eine inzwischen zentrale Rolle in Arzthaftungsprozessen hat die Rüge der unterlassenen oder jedenfalls unzureichenden Aufklärung eingenommen. Dies kann an den zeitlich eingeschränkten Ressourcen der Ärzte liegen, aber auch an den hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung inzwischen an die Aufklärung stellt. Der Patient ist über einzelne Risiken, die sich verwirklichen können aufzuklären. Andernfalls fehlt es an einer wirksamen Einwilligung, was Schadensersatzansprüche begründet. Dem Patienten sind auch die Risiken und die Häufigkeit, in der sich diese verwirklichen können im Rahmen des Aufklärungsgespräches darzulegen, beispielsweise ob ein Risiko „häufig“, „selten“ oder auch „sehr selten“ eintritt. Jahrelang bestand über die Definition dieser Häufigkeitsangaben Streit, bis der BGH klarstellte, dass auf den allgemeinen Sprachgebrauch abzustellen ist.

Genau so wichtig wie die Häufigkeitsangaben möglicher Risiken ist nach der Rechtsprechung auch der Zeitpunkt der Aufklärung und der erteilten Einwilligung in die Behandlung. Der BGH fordert, den Patienten vor einem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufzuklären, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen kann. Konkrete Zeitangaben gibt es nicht. Nach einem in der Rechtsprechung herrschenden Streit, ob eine im unmittelbaren Anschluss an das Aufklärungsgespräch eingeforderte Einwilligung wirksam ist, positionierte sich der BGH erst jüngst. Er entschied, dass nach der Aufklärung keine vor der eingeforderten Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ existiert, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde.

Ebenso gilt, wie der BGH im November 2023 klarstellte, der Patient müsse vor chirurgischen Eingriffen, bei denen der Arzt die ernsthafte Möglichkeit einer Operationserweiterung oder den Wechsel in eine andere Operationsmethode in Betracht ziehen muss, hierrüber und über die damit gegebenenfalls verbundenen besonderen Risiken explizit aufgeklärt werden. Liegt eine solche Aufklärung und dahingehende Einwilligung des Patienten hingegen nicht vor, hat der Arzt über die Operationserweiterung nicht aufgeklärt, zeigt sich intraoperativ jedoch die Notwendigkeit einer Erweiterung, dann muss der Arzt, sofern dies möglich ist, die Operation unverzüglich beenden, den Patienten nach Abklingen der Narkoseeinwirkung entsprechend aufklären und seine Einwilligung in den weitergehenden Eingriff einholen.

Vorstehendes zeigt, welch hohe Anforderungen vor Behandlungsbeginn durch die Behandlerseite zu erfüllen sind. Die Beweislast für die Einhaltung dieser Erfordernisse trägt in einem Arzthaftungsprozess grundsätzlich der Arzt. Hierdurch erklärt sich auch, warum der Streit um die ordnungsgemäße Aufklärung in Prozessen eine immer zentralere Rolle spielt.

Rechtsanwalt Christoph Scharf

auch Fachanwalt für Medizinrecht

Veröffentlicht am 18. / 19.05.2024 „Der Neue Tag“ Oberpfalzmedien

https://www.onetz.de/oberpfalz/weiden-oberpfalz/arzthaftung-zeitpunkt-umfang-aufklaerung-id4779708.html

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