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Arzt muss über eigene Erkrankung aufklären

Zur Strafbarkeit des Arztes der eigene schwerwiegende Gesundheitsprobleme dem Patienten verschweigt

Auch Ärzte sind Menschen. Sie unterliegen dem Schicksal selbst zu erkranken und schwerwiegende Gesundheitsprobleme zu erleiden. In einem solchen Fall muss sich der Arzt fragen, ob er physisch und/oder psychisch in der Lage ist seinen Beruf weiter auszuüben, Behandlungen an einem Patienten entsprechend dem so genannten Facharztstandard (lege artis) durchzuführen und ob er seine Patienten über die in seiner Person bestehenden schwerwiegenden Gesundheitsprobleme vor der Behandlung aufklären muss.

Diese Frage beschäftigt die bayerische Justiz inzwischen seit Jahren.

Zum Fall:

Ein Augenarzt aus Kempten operierte in den Jahren 2011 bis 2015. Zuvor hatte er im Jahr 2009 einen Schlaganfall erlitten, der auch zu motorischen Einschränkungen seiner rechten Hand führte. Der Arzt führte u. a. so genannte Kataraktoperationen (Operationen des grauen Stars) durch. Die Landesärztekammer und die Approbationsbehörde hatten bereits 2012 nach einer persönlichen Untersuchung des erkrankten Arztes durch das Gesundheitsamt, bei dem keine Anhaltspunkte für körperliche Einschränkungen festgestellt worden seien, Verfahren gegen den Arzt eingestellt. Der Arzt operierte weiter. Im Vorfeld der Operationen ließ der Augenarzt seine Patienten über sämtliche Operationsrisiken aufklären. Einen Hinweis, dass er im Jahr 2009 einen Schlaganfall erlitten hat und auch motorische Einschränkungen an seiner rechten Hand bestehen unterblieb jedoch.

Die Beurteilung dieses Falles ist rechtlich kompliziert. Die von der Staatsanwaltschaft erhobene Anklage hatte das Amtsgericht, sodann das Landgericht in der Berufungsinstanz, folgend das Bayerische Oberste Landesgericht in der Revisionsinstanz, welches nun unter dem 26.06.2021 das Urteil des Landgerichts Kempten aufhob und an dieses zur erneuten Verhandlung zurückverwies. Ein strafbares und schuldhaftes Handeln des angeklagten Arztes ist zwischenzeitlich festgestellt worden. Erneut zu beurteilen ist lediglich noch, ob eine fahrlässige oder eine vorsätzliche Körperverletzung des Arztes durch seine Operationen anzunehmen ist. Die bisher ergangenen Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen für Ärzte, die erkranken und deren Erkrankungen sich grundsätzlich auf die Fähigkeit nach ärztlichem Standard zu behandeln, auswirken können. Es geht letztendlich nicht nur um die Frage eines strafbaren Handelns, sondern auch um zivilrechtliche Folgen im Sinne der Arzthaftung. Unabhängig von der Frage ob der erkrankte Arzt einen Behandlungsfehler bei seiner Behandlung begeht kann bereits der gesamte Eingriff durch den Arzt bei unterbliebener Aufklärung über seine Erkrankung mangels wirksamer Einwilligung des Patienten rechtswidrig sein und zu einem Schadensersatzanspruch des Patienten führen.

Sämtliche mit dem Fall befassten Gerichte haben festgestellt, dass aufgrund des Handelns des Arztes eine Körperverletzung anzunehmen ist. Uneinigkeit bestand bislang, ob von einer fahrlässigen oder vorsätzlichen Körperverletzung auszugehen ist.

Zuletzt hatte das Bayerische Oberste Landesgericht festgestellt, eine wirksame Einwilligung der Patienten in die Operationen lag nicht vor. Eine rechtswirksame Einwilligung setzt eine Aufklärung voraus, die dem Patienten Wesen, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestaltung in den Grundzügen erkennen lassen und ihn in die Lage versetzen, dass Für und Wider des Eingriffs abschätzen zu können. Ein Arzt hat danach seine Patienten über alle Umstände aufzuklären, die aus der Sicht eines verständigen, nicht übertriebenen ängstlichen Patienten wesentlich sind, um die Risiken einer Operation abschätzen zu können. Der Arzt hat damit Einschränkungen seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, die für die Behandlung relevant sind mitzuteilen und darf diese gegenüber dem Patienten nicht verschweigen. Allein die Tatsache, dass der Arzt in Besitz einer Approbation ist und die Approbationsbehörde gegebenenfalls seine Leistungsfähigkeit überprüft hat, entbindet den Arzt jedoch nicht von der Pflicht, jeweils vor der Behandlung selbstkritisch zu prüfen, ob er über die erforderliche Eignung für eine Heilbehandlungsmaßnahme noch verfügt. Dies gilt erst für solche Behandlungen, die mit erheblichen Risiken verbunden sind.

Der Fall zeigt, dass ein erkrankter Arzt, der seine Beeinträchtigung gegenüber dem Patienten verschweigt, schnell zum Straftäter werden kann, sich schnell Schadensersatzansprüche der Patienten ergeben.

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